Wege raus aus dem Dunkel
Dissoziation – was bedeutet das?
Dissoziation – was bedeutet das?

Dissoziation – was bedeutet das?

Dissoziation. „Was genau bedeutet das?“, fragst du dich. Sowohl bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung als auch bei der komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung kann diese Symptomatik auftreten.

Vorab, wie immer: Das Thema Dissoziation ist super groß. Und bei jedem äußern sich die Symptome anders. Zudem können solche im Rahmen bestimmter psychischer Erkrankungen, als auch als eigenständige Erkrankung auftreten. Wie immer beschreibe ich ausschließlich meine Erfahrungen – subjektive Empfindungen.

Jeder kennt es…

Jeder Mensch erlebt in seinem Leben mal Dissoziationen. So kann es sein, dass du, während du einen Vortrag hältst, das Gefühl hast, dich von außen beobachten zu können. Neben dir zu stehen. Oder du bist so in einen Film/ ein Buch vertieft, dass du die Welt um dich herum gar nicht mehr wahrnimmst. Dieser Zustand hält in der Regel nur kurz an und ist vollkommen normal.

Zwei Formen der Dissoziation sind die Depersonlisierung und die Derealisierung. Was bedeutet das nun schon wieder?

Depersonalisierung

Die Depersonalisierung ist eine Entfremdung von der eigenen Person. Der eigenen Identität. Man steht „neben sich“. Fühlt sich nicht wie man selbst. Kann evtl. Sachen, die man vorher konnte nicht mehr. Erinnert sich an gewisse Dinge nicht mehr.

Derealisation

Bei der Derealisation handelt es sich um eine gestört Wahrnehmung. Es erscheint einem das Umfeld fremd. Es kann verzerrt sein. Größenverhältnisse können anders sein. Oder man nimmt die Umwelt wie in einem Film war. Irgendwie surreal. Nichts fühlt sich real an.

Mhm… Ok…

Das klingt alles ja sehr wirr, denkst du dir jetzt? Da gebe ich dir recht. Wirr und nicht greifbar. Und ehrlich gesagt: Ich kann es nicht voneinander trennen. Weiß nicht genau, was nun zu dem einen Phänomen gehört und was nicht. Aber ganz ehrlich? Das ist mir auch ziemlich egal. Wichtig ist ausschließlich, ob man Leidensdruck hat oder nicht. Der Grund ist dabei eher sekundär.

Geht es etwas konkreter?!

„Na gut, und was bedeutet das jetzt für dich?“ fragst du dich. Ich habe die unterschiedlichsten Erfahrungen damit gemacht. Eine zeitlang war die Welt fast komplett farblos. Alles sah grau und matt aus – Sonne oder nicht, nichts erschien in den bunten Farben, die normalerweise vorhanden sind. Vor allem im Sommer. Nein. Für mich war da einfach nur Grau. Das habe ich manchmal immer noch. Aber deutlich seltener als noch vor ein paar Jahren. Dann gibt es die Momente, in denen ich in den Spiegel gucke und denke: Wer ist das denn!? Und mich erst erinnern muss, dass ich das bin. Ich erkenne mich einfach nicht. In meinem Innern habe ich ein ganz anderes Bild von mir. Auch auf Fotografien weiß ich teilweise nicht, ob ich das wirklich bin oder wer anderes. Ich kann es einfach nicht gut erkennen, habe kein starkes Identitätsgefühl. Aber noch anstrengender empfinde ich den Zustand, den ich gerade oft durchlaufe. Ich fühle mich fremd. Fremd in der Welt. Fremd in mir. Mein Körper fühlt sich taub an. Berührungen spüre ich so, als läge irgendeine Schicht auf mir drauf. Wenn ich dusche, fühlt sich der Wasserstrahl merkwürdig an. Als würde er mich nicht richtig berühren, aber irgendwie schon. Meine Finger fühlen sich taub an und ich habe das Gefühl, dass sie nicht richtig zu mir gehören. Nichts läuft so „normal“ ab, wie sonst. Ich tue Dinge und habe sofort wieder komplett vergessen, was ich getan habe und ob ich es getan habe. Zum Beispiel: Habe ich vor 10 Sekunden meine Medikament eingenommen oder nur daran gedacht? Ich weiß es nicht. Habe ich xy mit Z besprochen oder nur in meinem Kopf? Wo bin ich überhaupt gerade? Ist das real oder träume ich? Ich zähle meine Finger nach – denn im Traum hat man mehr als fünf an jeder Hand. Oder weniger. Zumindest in der Regel nicht fünf. Mein Kopf fühlt sich benebelt an – so, als hätte ich ein wenig zu viel Alkohol getrunken. Gedanken fassen fällt schwer. Sprechen ist lallender als normal. Langsamer. Und manchmal fallen mir die Worte bzw. Sätze einfach nicht ein. Da ist dann einfach nichts in meinem Kopf. Leere. Nebel. Watte. Was auch immer es ist, es verhindert, dass ich verstehe, was ich lese. Dass ich mir merke, was ich getan habe und dass ich mich daran erinnere, was einmal war.

Und auch mich auf Gegenstände zu konzentrieren, fällt mir schwer. Gestern im Einkaufsladen war ich komplett überfordert, da ich absolut nicht mehr wusste was ich einkaufen wollte und die Gegenstände in den Regalen irgendwie unscharf wirkten. Mein Gehirn hat nicht verarbeitet, was es sieht. Also bin ich wieder gegangen. Zu schwierig. Jetzt war ich gerade spazieren und frage mich, ob ich wirklich so lange draußen war? Ich kann mich kaum erinnern. Ich weiß, ich habe telefoniert. Aber worüber haben wir gesprochen? Ich habe Schwierigkeiten das zu rekapitulieren. Und so geht es mir immer. Naja, nicht immer, aber sehr oft im Augenblick. Wenn ich im Gespräch wichtige Termine nicht aufschreibe, dann vergesse ich sie. Kann mich absolut nicht mehr daran erinnern. Einfach, weil alles taub und surreal wirkt. Ich nicht weiß was Traum, was in meinem Kopf und was Wirklichkeit ist. Um damit zurecht zu kommen, versuche ich, mich auf mich zu verlassen und zu denken: „Es wird schon alles richtig funktionieren. Automatisch halt. Auch wenn du es nicht so genau weißt. Versuche dir zu vertrauen.“ Das ist anstrengend und beängstigend. Vor allem, weil ich mich dabei so taub fühle. Nicht da. Mir ist alles egal. Und auch das fühlt sich unangenehm an. Denn es sollte einem nicht alles egal sein, oder?

HÖR AUF!!!

Ich will, dass dieser Zustand aufhört. Ich kann ihn kaum ertragen, weil ich nicht raus komme. Konzentration auf etwas fällt schwer. Vor ein paar Tagen waren wir Surfskaten – ich habe mich zweimal mit vollem Elan hin gepackt, weil ich nicht konzentriert genug war. Einmal auf die Seite vom Oberschenkel. Aber ich bin nicht einmal auf den Gedanken gekommen, dass man das kühlen oder verarzten sollte. Das viel mir spontan heute morgen im Bett ein. Ich bin eben nicht ganz da. Dinge passieren, aber ich bekomme sie nicht richtig mit. Sie passieren halt. Fertig. Und ich laufe wie ferngesteuert durch die Welt.

Und nun?

Das ist anstrengend. Und sorgt für weitere Schwierigkeiten im Alltag. Denn: Wann habe ich das letzte Mal geduscht oder frische Klamotten angezogen? Keine Ahnung. Vielleicht war es gestern, vielleicht aber auch vor einer Woche. Ich erinnere mich nicht. Es ist mir egal. Ich habe absolut kein Zeitgefühl mehr. Eben war es noch 8 Uhr, jetzt ist es fast 13h. Wo sind die fünf Stunden hin? Gute Frage. Auch das weiß ich nicht. Meine Zunge und Hände fühlen sich taub an. Fremd. Wie betäubt eben. Wie unter Alkoholeinfluss. Nur, dass ich ja nichts trinke. Nicht mehr. Nicht mehr seit einem knappen halben Jahr. Weil es schlecht für mich ist. Angeblich. Und doch bin ich jetzt im gleichen Zustand. Was soll das?! Ich will hier weg. Raus aus diesem Zustand. Wieder etwas normaler sein. Aber das geht nicht. Ich bin gefangen. Muss da durch. Muss es aushalten. Denn einen Ausweg, den gibt es nicht. Nicht wirklich, jedenfalls.

Anmerkung:
Text: Februar 2022.
Foto:

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