Sag mal, kennst du das auch? Du bist müde, kaputt, ausgelaugt und irgendwie einsam. Du gehst – halbwegs entspannt – die überfüllte Straße nach Hause entlang und ZACK ist sie plötzlich da. Aufgetaucht wie aus dem Nichts, der Schmerz durchzuckt dich innerlich und du gerätst kurz ins Taumel.
Unschuldig doch laut setzt sie sich fest in deinem Gehirn, natürlich direkt hinter der Stirn, sodass dir nichts anderes übrigbleibt, als nur noch sie zu sehen. Sie, diese eine Person, die seit Wochen, Monaten oder Jahren schon nicht mehr mit dir spricht, weil sie den Kontakt abbrach, ihre Sachen nahm, deine Welt in Millionen Einzelteile zerbrach, während sie – als sei nichts gewesen – einfach so aus deinem Leben verschwand. In sekundenschnelle, du mit dem Rücken an der Wand und nichts, was du hättest tun können.
Diese eine Person, die du nicht loslassen kannst, obschon sie nichts anderes will als Distanz zu dir. Die Verbindung abbrach, zwar nicht heimlich, nicht still doch dennoch schmerzhaft und verdammt verletzend.
Diese eine Person, die immer und immer wieder in deinem Kopf herum spukt, in den unpassendsten Momenten lautstark hervor lugt, obschon du sie so gerne willst loslassen, um dich nicht mit der Vergangenheit, sondern der Gegenwart zu befassen, aber das scheint nicht möglich.
Wenn du das kennst, so frag ich dich, wie lasse ich sie gehen, wenn mein Herz es nicht verstehen will und sich einfach anders benimmt?
Flehend sehe ich in deine Augen, die mir traurig aus dem Spiegel entgegen schauen und hoffe du erinnerst mich daran, wie man das Loslassen schaffen kann.
Du siehst trocken zu mir hin, sagst, „such dir n Rebound, ist doch eh dein Ding?“ und wendest den Blick wieder ab. „Such dir irgend nen Typen oder ne Frau, das hilft bestimmt, ich weiß es genau.“ leierst du noch vor dich hin.
Bitte was, denke ich, was soll denn das und wer genau hat sich den Quatsch erdacht? Es scheint mir als habe dieser Mensch nie wirklich die gleiche Erfahrung gemacht, denn sowas hilft nun wirklich nicht.
Naja, ok, konkretisiere ich, vielleicht bin ich ein wenig gemein, es hilft für n paar Minuten, das mag gut sein, aber langfristig? Was für’n Unsinn, sieh doch bitte mal genauer hin: Es macht das ganze noch viel schlimmer, da du dich danach für die Aktion hasst. Hasst, dass du darauf bist reingefallen, obwohl du‘s doch besser weißt oder wissen müsstest.
Außerdem stellt sich bei mir noch folgendes Problem: Mir, mir geht es um eine Freundschaft, keine Liebschaft. Mit wem anderes schlafen, ist vielleicht beim Ende von einer Partnerschaft ein Ding, doch was soll es beim Verlust von ner Freundschaft bring’n?
Und auch nach ner Trennung ist meine Skepsis groß, denn wie um Himmels willen bloß, sollte ein anderer Schoß dir helfen, etwas loszulassen?! Verdrängen vielleicht, doch es machen sich Zweifel breit, ob diese kurze Zeit am Ende ernsthaft dafür reicht – ich vermute, das tut sie nicht.
Na gut, sagst du, dann hör mir jetzt mal ganz genau zu, probier‘s doch mal mit Selfcare und Selbstliebe. Tue das, was dich glücklich macht, dich wach bleiben lässt die ganze Nacht und deine Gedanken woanders hinlenkt. „Fick dich!“, ist was mein Gehirn impulsiv denkt und mich zum Durchatmen zwingt.
Denn auch dieses Konzept hinterfrage ich, denn vielleicht ist es ja passend für dich, doch mir, mir hilft es kaum. Hilft es kaum, denn es ist zwar ein schöner Traum, doch Ablenkung erstickt die Hoffnung nicht, die ich in mir trage, jedes Mal wenn ich meine E-Mails abfrage.
Die Hoffnung, dass sie sich doch gemeldet hat, ne Nachricht von ihr es in mein Postfach schafft, auch wenn ich es tief in mir drin besser weiß. Hindert mein Herz nicht daran jedes Mal laut stolpernd zu schrei’n, wenn ne unbekannte Nummer auf meinem Display erscheint, betend, dass sie es ist, obwohl der Kopf klar weiß, dass ist nur Mist, denn sie, sie wird sich nicht mehr melden.
„Lenke dich ab, geh raus, es bringt nichts, wenn du den ganzen Tag zu Haus sitzt und Trübsal bläst und du in Gedanken die komplette Vergangenheit durchgehst.“ Ja ich weiß, auch das ist nett gemeint, doch verstehst du leider nicht, wie mein Gehirn tickt, mich komplett fickt, denn bei jedem Auto, dass ich draußen sehe, rast mein Herz wie irre, Angst und Anspannung kommen hoch, denn – vielleicht ist sie es und was mache ich dann bloß?
Gleichzeitig ist mir bewusst, dass dieser Gedankenwust Blödsinn ist und irrational. Irrational as fuck, sie lebt ja nicht mal in der gleichen Stadt, weshalb sollte sie dann hier sein?
Für mich, meldet sich, ne kleine penetrante Stimme innerlich. Leise doch beharrlich. Eine Stimme, die einfach weiterspricht, Messer in mein Herz rein sticht und die ich kaum ertrage. Eine Stimme, die – egal was ich ihr sage – darauf beharrt, dass das nicht alles gewesen sein kann, sie zurückkommt und ihr dann eure Freundschaft genauso weiterführen werdet wie zuvor. Sie bemerkt, dass sie sich geirrt hat, sie dich will anstatt ihrer neue Freundin, denn nur das ergibt deiner inneren Stimme nach Sinn.
„Schreib alles auf, lass‘ es heraus, das wird dir bestimmt guttun. Schreib auf, was alles scheiße war, nicht gut lief, verletzend, sonderbar, dann wird dir unweigerlich klar, weshalb du ohne sie viel besser dran bist.“ Na gut, denk ich, ich probier‘ es aus und gucke, was dabei herauskommt, doch glaube kaum daran, dass es mich irgendwie weiterbringen kann.
Gesagt getan, Stift gezückt. Notizbuch an seinen Platz gerückt, doch…. Wo und wie genau fange ich nun an? Voll Scham und zu vieler Gedanken im Kopf wird mir bewusst, dass ich keine Ahnung habe.
Denn, wenn ich anfange zu schreiben, macht alles keinen Sinn, es sei denn, ich wäre komplett ehrlich zu mir. Doch dann müsste ich mir eingestehen, dass ich unsere Freundschaft vielleicht zu rosig gesehen hab.
Es gab viel Raum für Illusion und Idealisierung, unsere Freundschaft war vermutlich nicht nur gesund, doch war sie auf jeden Fall der Grund für Freude und Lachen jeden Tag. Sie war besonders, anders als das, was ich sonst so erfahre, intensiv, offener und – keine Frage – tiefer als alles andere zuvor in meinem Leben.
Ich dachte, so etwas könne es nicht geben, doch sie hat mir das Gegenteil bewiesen. Wir, ja wir waren perfekt, haben uns nie voreinander versteckt, konnten sein, wie wir grad waren, mit all unseren Fehlern, ohne Gefahren. Haben uns verstanden, Mitgefühl gegeben und Emotionen geteilt. Jede von uns ist ein wenig geheilt, allein durch das Vertrauen der anderen.
Durch Unterstützung und den freundlichen Ton, die Ehrlichkeit und auch Emotionen – am meisten wohl durchs „Ich-selbst-sein-dürfen und auch sein“, auch und vor allem in der schlechten Zeit. Doch, das macht es nun so schwer, das Loslassen. Das andere Gedanken zulassen, das weiter gehen ohne sie.
Ich weiß, es liegt nicht an mir, dass sie nicht hier ist, sondern bei ihr, sie ist wohl die einfachere Wahl, doch das Wissen hilft mir – ehrlich gesagt – auch nicht weiter. Nicht weiter, denn es schmerzt unaufhörlich und ich frage mich einfach Tag täglich, ob sie mich auch so sehr vermisst? Ob es ihr fehlt, das Lachen, das Schweigen, das Reden, das Gehen? Das gemeinsam die schwierigen Phasen meistern, sich zusammen für Dinge zu begeistern oder einfach nur Mut und Halt zu spenden.
Alles Gedanken, die mich blockieren, behindern und mich nerven, doch einfach nicht verschwinden wollen. Ich weiß, der Schmerz rührt nicht allein her von ihr, sondern kommt von irgendwo ganz tief aus mir, alte Emotionen getarnt als neue.
Doch, auch wenn ich das weiß, weiß, dass mein Geist verrücktspielt – das macht es leider doppelt kompliziert, ich frage mich, was wird hier gespielt und wie kann ich gewinnen? Irgendwo tief in mir drin, weiß ich, es ergibt alles Sinn, denn durch ihre Präsenz in meinem Gehirn will mein Unterbewusstsein mir erzählen, was meine Bedürfnisse sind und was mir momentan fehlt.
Auch wenn es sich so anfühlt, als sei sie es, die mir fehlt, deren Abwesenheit meine Schmerzen nährt und mich tagtäglich quält. Auch wenn es sich so anfühlt, so weiß ich, dass das wohl nicht stimmt, sondern es meine verborgenen Bedürfnisse sind, die gesehen werden wollen. Das Bedürfnis danach, mich nicht immer zu verstecken, ich sein zu dürfen ohne anzuecken und mich geborgen zu fühlen und verbunden.
Doch durch diese Erkenntnis sind weder sie noch der Schmerz verschwunden, ich sitze hier, die Gedanken drehen Runden, aber ich kann mich absolut keiner Lösung entsinnen. Einer Lösung, durch die ich mich vorwärtsbewege, Schmerz, Trauer und Verzweiflung ihren Raum gebe und irgendwann loslassen kann.
Doch halt, ruft’s in mir, ich weiß nun wie ich dir helfen kann, es ist ganz easy, fang direkt damit an: Du musst sie nur einfach hassen, dann fälllt’s dir leichter sie loszulassen und sie wird von alleine verschwinden.
Na vielen Dank, denk ich genervt, Hass macht dich krank und heilt nicht und selbst wenn – wie soll man plötzlich etwas hassen?? Etwas oder jemanden, ist nicht genau das das Problem, dass Emotionen von alleine entstehen und nicht durch Wollen, Wünschen, Machen?
Soll ich sie hassen, nur weil sie mich hat verlassen, um ihren eigenen Weg zu gehen? Nein, das macht für mich keinen Sinn, ich verstehe sie und immerhin ist sie nicht das eigentliche Problem. Das Problem liegt tief in mir drin, rumort mal laut mal still so vor sich hin und verätzt meine Eingeweide leise, stetig, dauerhaft.
Ich weiß, mir bleibt nichts anderes übrig, als sie zu sammeln, meine Kraft, der Zeit das Steuer zu überlassen, weder mich noch sie zu hassen und langsam einen Weg zu finden, meine Bedürfnisse zu befriedigen, ohne mich zu fest an jemanden zu binden. Ohne mich zu binden und abhängig zu sein, denn für meine Bedürfnisse bin ich allein verantwortlich, auch wenn mir lieber wäre, ich wäre es nicht.
Mir bleibt nichts übrig, als langsam eine Lösung zu finden, mich peu à peu den steilen Weg hinaufzuwinden und auch wenn es erstmal beschissen bleibt, die Zeit mit ihr will ich nicht missen, denn es war einfach wunderbar: Wir als Team, als Freunde, die Zeit, die war.
Anmerkung:
Text: April 2023. Menschen gehen. Immer und immer wieder.
Foto: Mai 2023@offene Bühne.©F.