In mir lauert sie, still und wartend,
wartend, auf den richtigen Moment.
Irgendwo, zwischen Gedanken eingeklemmt,
ist ihr Job ganz einfach: Sie hemmt.
Hemmt mich in meiner Genesung,
hemmt mich in meinem Fortschritt,
bietet mir stets einen guten Grund.
Doch wie versetze ich ihr einen Tritt?
Denn bevor sie nicht geht, komm’ ich nicht weiter,
das ist mir mittlerweile klar.
Tue ich auch so, als sei ich heiter –
sie ist einfach immer da.
Still, leise und hochgradig giftig,
infiziert sie langsam meine Gedanken,
ich red’ mir ein, das sei nicht wichtig,
doch fange manchmal an zu schwanken.
Sie suggeriert mir Sicherheit,
Halt, Kontrolle und Schutz.
Dafür ist sie allzeit bereit,
zieht jeden Versuch durch den Schmutz.
Jeden Versuch mich abzugrenzen
und meinen eigenen Weg zu gehen.
Jeden Versuch mich abzuwenden
und mein eigenes Leben zu leben.
Wovon ich spreche, wollt ihr wissen?
Ein heikles Thema, tabuisiert.
Die „Angst vorm Gesund werden“ – echt beschissen –
hat man sie, wird man laut kritisiert.
Den selbstverständlich wäre doch,
dass jeder gesund werden will.
Tja, wenn du mal steckst in meinem Loch,
merkst du schnell, irgendwann wird es still.
Still werden sie, die Argumente,
die für die Genesung sprechen würden,
die Angst streckt sie aus, ihre Hände
und packt dich, baut sie auf, ihre Hürden.
Und ja, es mag irrational klingen,
doch sind Ängste das nicht oft?
Was sollen Vorwürfe mir bringen,
habe eh das Gefühl, ich werde bekloppt.
Denn auch ich will nicht ewig weiter leiden,
will sie beenden, diese Qual,
doch wenn sie dann anklopft, ganz bescheiden,
kommt’s mir so vor, als hätt’ ich keine Wahl.
Denn alles Neue ist doch wage,
und wer ist nicht für Sicherheit?
Gerade in einer unsicheren Lage,
bin ich eher für Kontrolle bereit.
Sie schützt mich außerdem vor mir,
genauso wie vor Erwartungen,
wenn ich nicht klar komm’, jetzt und hier,
wie dann mit all den Anforderungen?
Und was ist mit meiner „dunklen“ Seite,
mangels Kraft, Energie pausiert sie grad,
doch was, wenn ich Gesundheit einleite,
kommt sie auch, obwohl ich sie nicht mag?!
Zum Schluss stellt sich die wichtigste Frage,
Wer bin ich noch ohne die Krankheit?
Seit Jahren bin ich in dieser Lage,
sie hat mich begleitet, lange Zeit.
Ist Teil von mir, macht mich doch aus?!
Was bleibt denn ohne sie übrig?
Was kommt am Ende dabei heraus?
Werd ich es mögen?, frag’ ich ängstlich.
Doch letztlich möchte ich die Angst verlieren
und mutig in die Zukunft sehen.
Sie soll nicht weiter mit mir spielen,
ich will endlich mein eigenes Leben leben.
Anmerkungen:
Text: Juni 2021.
Foto: Australien, Sydney, 2008©Kristine.